Meine Geschichte in Röcken April 2019

Der Rock ist lang. Der Raum ist unter dem Rock. Da sind zwei Beine, zwei lange Beine und das Licht fällt durch den weinroten Stoff in meine Höhle. Ich kauere da und hebe den Saum hoch. Hoch und runter. Welt und Raum. Raum unterm Rock. Geborgen und Verborgen. Warm und warm und warm und warm. Lüften. Den Rock anheben. Das Geheimnis lüften. Mich lüften. Bin ich das Geheimnis?

Der Raum ist klein. Kleiner Raum unterm Rock. Es bleibt das ausharren. Bis ich darunter hervorgezogen werde. Solange alles voller Beine. Beine die gerade nach oben führen. Da wird es größer und weicher. Bein anpacken zum stehen bleiben. Nicht mehr kauern, mich in den Stand gezogen unterm Rock, Kopf beult Rock aus. Rock ist widerspenstig.

Rock angezogen. Der reicht nur bis zur Mitte der Oberschenkel und war gestrickt. 13 verschiedene Farben in Reihen. Unterm Apfelbaum „Horch was kommt von draußen rein“ gesungen vor den Großtanten und Großmüttern. „Holla Hi Holla Ho“. Der Apfelbaum blühte.

Der Rock war weiß. Durfte keine Flecken bekommen. „Jetzt geht so etwas aber nicht mehr, jetzt wo du zur Kommunion gehst“, sagte meine Großmutter. Anständig sein. Sie sagte nicht, was sie meinte. Der Rock sollte keine Flecken bekommen.

Der Rock war selbstgenäht. Sollte nur Röcke und Kleider tragen. Gehörte zu dieser Kultur. Hosen trugen nur die Frauen in der ersten Welt. Erste. Zweite. Dritte. Also trug ich nur Kleider und Röcke. Genoss die Beinfreiheit. Ein ganzes Jahr. Zum Ersten. Zum Zweiten. Zum Dritten. Nur darunter fassen durfte mir keiner, egal wie warm und feucht. Kuss auf dem Mund unterm Regenschirm. Zungenkuss im Mondschein im Meer. Party auf Sierra Leonisch. Becken an Becken. Umfasst. Umschlungen. Blieb dabei. Ein ganzes Jahr nur Röcke war mit entfallen. Habe Freude am wieder Gefundenen.

Es dauerte noch bis weder Rock noch Hose. Heute Nacht traf ich den, der dann durfte. Wenigstens Mal mit der Hand. In dem Sommer als die Mutter starb. Seine Stimmte folgte durchs Telefon ins Sauerland. Dorthin wo die Mutter lag. Röchelte und spuckte und atmete. Ein Kammerspiel mit dem Tod. 7 Wochen lang. Sein Anruf rührte mich, weil er ja schon lange vergeben war. Sein Anruf kam durchs Kliniktelefon. ER musste sich die Nummer in der WG geholt haben. Heute Nacht war er braun gebrannt. Das passte gar nicht zu ihm, sah aber gut aus.

Im Sommer waren die Röcke kurz und die Beine lang. Das kam gut, nahm es wahr und nahm es nicht wahr. Traf den, an dessen Seite ich dann gerne lag in den Pyrenäen. Da war er plötzlich wo ich war. Studierten beide in der selben Stadt die in der Ferne lag. Wussten nicht voneinander. Ich kann mich nicht erinnern, ob ich einen Rock anhatte. Wussten nichts vom Mann und Frau sein. Lernten es auf der ein Meter breiten Matratze. Morgens und Abends. Übung macht den Meister. Es machte sogar Spaß. Meistens.

Den schwarzen Rock und die weiße Blus trug ich beim Arbeiten. Beim Inder. Die Gewürze in der Luft. Aromen. Kurkuma, Kumin, Piment, Chili, Curry. Das Zischen der Pfannen. Fleischspieße eingelegt im Tandoori Ofen gebraten. Eine in jeder Hand, an die Tische gebracht. Zischte. Der schwarze Rock bis knapp oberhalb des Knies, bis hinauf in die Taille. Gerader Schnitt. Nicht zu figurbetont. Dezent. Dem Inder reichte es. Kumar. Hinter der Theke. Unaufdringlich aufdringlich. Am Schlimmsten. So freundlich. Monate im mich winden. Immer wieder Hände. Seine. Bis es reichte. Den Rock zusammengelegt. In den Schrank damit.

War genussvoll – unter den Rock zu schauen und darunter zum Vorschein zu kommen. Welch eine Überraschung.