Fäden November 2016

Es bricht eine neue Ära an. Schreiben unterwegs auf meinem gerade eben erstandenen Laptop. Ist es ein Aufstieg oder ein Abstieg? Auf jeden Fall fühlt es sich gut an, das Schreiben auf diese Art und Weise verfügbarer zu haben. Es wird mein Schreiben verändern.

Ich schreibe über die Fäden, die dazu führen, dass alles seinen Platz wechselt und wandert und von A nach B gelangt und unbeabsichtigt dort bleibt.

Wir haben eine große Wohnung. Vielleicht ziehen große Wohnungen Dinge an, die bleiben wollen. Auf jeden Fall kommen unsere Freunde gern, um uns zu besuchen. Egal, ob sie bei uns wohnen, während sie eine Yoga Fortbildung machen, an einem Feldenkrais Workshop teilnehmen, oder ob sie einfach mit uns Zeit verbringen wollen. Und dann naht wie immer der Moment des Abschieds, die Wohnungstüre ist noch nicht ganz zu und mein Blick fällt auf das Halstuch im Regal. Manchmal finde ich auch eine unbekannte Unterhose in der Wäsche, oder ein unbekanntes Glas Tahin im Kühlschrank, Duschdas in der Dusche oder Kulturbeutel. Manchmal steckt auch eine zerzauste Zahnbürste unschuldig im Glas mit den anderen Zahnbürsten, die sich auf ohnehin geheimnisvolle Art und Weise vermehren. Beliebt sind auch Tupperdosen die kommen und welche, die ich verzweifelt suche und die unauffindbar bleiben. Kugelschreiber sind auch beliebte Wanderpokale, die in meiner Handtasche landen ohne das ich eine Ahnung habe, wie sie da je hinein gefunden haben. Eigentlich erübrigt sich mein und dein bei den Kugelschreibern und Tupperdosen. Ich plädiere dafür, das die Besitzverhältnisse für diese Gegenstände abgeschafft werden und sie direkt freudig dagelassen werden oder die Kugelschreiber mitgenommen werden. Ich will auch, dass mal wieder jemand auf einem Fest eine große Schüssel vergisst. Also muss ich mal wieder ein Fest feiern, wo alle etwas mitbringen sollen. Eine wunderbare große Schüssel von meiner Oma, in der sie immer den Hefeteig geschlagen hat, die ist auch irgendwo anders geblieben. Eine andere war nur eine einfache Glasschüssel, aber die größte Schüssel, die es in diesem Haushalt gab. Also für große Schüsseln hat es sich noch nicht so rumgesprochen mit der Aufhebung des Mein und Deins.

Das ist das Gegenständliche. Ich bin ja psycho – und körpertherapeutisch sozialisiert und da interessieren auch ohne esoterische Neigung die Wechsel von Worten, Blicken, Gesten, Berührungen, Phantasien. Und auch ich selbst als einfaches Ich staune, wie jeder Wechsel von Worten auch ein Tausch ist. Du gibst mir deine Worte und ich flüstere, schleudere, doziere, singe, spreche meine aus. Also tauschen wir die Wörter und mit den Wörtern die Geschichten und ich frage mich, was ich eigentlich mit deiner Geschichte anfange, wie ich sie einbaue in mein Archiv, wo ich sie hinein stecke. Jede Begegnung ist ein Tausch und deshalb geht es gar nicht, dass ich noch die gleiche bin, wo ich doch Wörter getauscht habe. Ich habe deine theoretischen Sehnsüchte bekommen, die sich nie praktisch erfüllen. Die sich auch gar nicht praktisch erfüllen müssen, weil das Leben ja erfüllt ist, aber weil die Frage, war es das jetzt schon doch nicht mit einem schlichten JA zu beantworten ist, melden sie sich als Lückenfüller zu Wort. Da haben sich meine Sehnsüchte bemüßigt gefühlt sich dazu zu verhalten, sie haben schweigend genickt und darauf bestanden, in der Hoffnung zu bleiben, dass sie sich erfüllen, da sie daraus ihr Lebenselixier beziehen.

Eigentlich ist es ein unglaubliches Phänomen, die Wirkung des Wörtertauschs. Ein komplett unterschätztes Ereignis, die transformierende Kraft der Wörter, die ich loswerde und derer, die über mein Gehör Eingang finden in mein System.

Ich habe mal mit Hypnotherapeutischen CD`s gearbeitet. Ich sollte sie jeden Tag anhören und ein komplett gelassener und ausgeglichener Mensch wäre dabei herausgekommen. Ich bin diesbezüglich nicht sehr ausdauernd gewesen. Einmal habe ich es gemacht und war ganz gelassen und ausgeglichen während ich die CD gehört habe, aber die Wirkung hat nicht angehalten. Vielleicht sollte ich mich unablässig mit „Schön, dass es dich gibt, May you be happy, well and safe“ füttern. Mein neues Laptop hat mit das direkt gesagt. Noch besser geschrieben: SCHÖN DAS ES SIE GIBT. Ich habe dich doch schon gekauft, mein Schatz, du musst mir das gar nicht mehr sagen. Aber gefreut hat es mich, wenn auch unbemerkt von meinem coolen Großhirn meine Amygdala die Hormonausschüttung beeinflusst hat. Also wahrscheinlich kommt bei einem Experiment heraus, dass diese Prägung die Beziehung zwischen mir und meinem Laptop positiv beeinflusst hat. Aber ich fand es dennoch nervig, dass mein Laptop als allererstes meinen W-Lan Zugang wollte, bevor es sich überhaupt weiter mit mir abgeben hat. So groß war die Liebe und das Zutrauen dann doch nicht. Ohne einen Zugang zum Internet sicher zu stellen, wollte es nichts weiter mit mir zu tun haben. Es hat mir immer gesagt, dass mein Netzwerkschlüssel leider nicht stimmt. Da wäre unser gute Beziehung fast schon wieder beendet gewesen. Ich habe zum Glück rechtzeitig entdeckt, dass ich mich auf der neuen Tastatur nicht richtig orientiert hatte und wir haben noch zusammen gefunden. Wenigstens bis zur nächsten Hürde. Da wollte es meinen E-Mail Zugang inklusive Passwort. Mein Passwort weiß aber nur mein Computer und das hat er hinter schwarzen Punkten versteckt. Da hat er es sich gemerkt, aber leider ich nicht. Also ich weiß noch, dass mein Freund und Helfer M mir empfohlen hat fast alle Passwörter zu speichern. Aber wo sind die bloß gespeichert? Hilfe – Suchbegriff eingeben, wer sucht der findet. So auch ich, aber da sind alle Passwörter außer diesem einen einzigen, was ich gerade brauche für meinen E-Mail Zugang. Mach ich etwas falsch. Ich rufe M an. Der sitzt gerade auf seinem Lastenfahrrad, mit dem er von Konstanz nach Hamburg fahren will. Ja kein Problem, wir können telefonieren. Ja, nein, dass ist dann wohl tatsächlich hinter den schwarzen Punkten versteckt. Neues Passwort anfordern, ja klar, mach ich, tschüss und noch gute Fahrt.

Also Mädchennamen der Mutter eingeben. Hatte ich da jetzt ihren Rufnamen oder ihren richtigen Namen eingegeben. Angabe FALSCH. Also nochmal mit dem anderen Namen. Ehrlich gesagt, erwarte ich schon, dass es nicht funktioniert. So ist es bei der BahnApp, dem Swisspass oder bei welchem Versuch auch immer mir in diesem Fall mein Smartphone ein viel leichteres Leben versprochen hat. Ich bin jedes Mal gescheitert und glücklich über die frische Luft auf dem Weg zum Bahnschalter gewesen. Mein Smartphone hat mir auch nie gesagt, dass es schön ist, dass es mich gibt. Deswegen war ich wohl nicht geduldig genug. Also ich werde mich an Samsung wenden und mich beschweren. Meine Beziehung zu meinem Smartphone ist nicht unter optimalen Bedingungen gestartet. Aber jetzt komme ich doch weiter. Test bestanden. Passwort ändern. Altes Passwort eingeben. Aber das weiß doch nur mein Computer und der hält es hinter den schwarzen Punkten versteckt. Nach wildem Herumdrücken lande ich bei der Option Passwort vergessen. Na, das ist doch mal was. Weiter geht es. Alternative E-Mail Adresse angeben. Oh nein, schon wieder ein Hindernis. Also schalte ich als drittes Gerät mein Handy dazu, da hatte ich doch mal eine gmail Adresse eingerichtet. Wo finde ich bloß diese Adresse. Ich verliere die Lust. Wieso habe ich überhaupt auf Anraten von M mein Passwort verändert? Aber halt, da war doch das Datum, wann dieses Passwort zuletzt geändert wurde. Meine letzte Hoffnung. Mein Kalender von 2015, zweite Seite, da stehen doch wild durcheinander Passwörter gekritzelt. Tatsächlich, ich kann es kaum glauben, da steht eines für den E-Mail Zugang. Also weiter geht es im Beziehungsaufbau zu meinem neuen Gerät. Aber erstmal verändere ich das Passwort und behalte mein altes vertrautes Passwort, etwas erweitert, da es jetzt 8 Zeichen sein müssen. 

Immerhin kann ich jetzt hier im Zug sitzen und schreiben. Also der Beziehungsaufbau geht voran. Das ich nicht mein neues Gerät verzweifelt in die Ecke geworfen habe, das lag sicher nur an der freudigen Rückmeldung.

Ich werde mal beobachten, was ich für Erfahrungen mache, wenn ich nur noch positive Worte von mir gebe und die negativen Geschichten gleich in den Entsorgungskreislauf schicke, die mich erreichen.

Vielleicht hat das auch Martin Buber gemeint. Das Ich ohnehin Du bin, da ja schon alle meine Wörter in dir sind. Ganz zu schweigen von meinen Berührungen.

Und was mache ich mit der unbekannten Unterhose in meinem Schrank?